In einem Strafverfahren gibt es kaum ein unangenehmeres Szenario als eine Hausdurchsuchung. Dies liegt vor allem daran, dass eine solche einen massiven Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen darstellt und darüber hinaus ohne vorherige Ankündigung stattfindet.
Meist treffen die Ermittlungsbeamten in den frühen Morgenstunden am Durchsuchungsort ein, ohne dass den Betroffenen zuvor die Verdachtslage bekannt ist. Ein korrektes Verhalten in einer derart nervenaufreibenden Situation ist essenziell zur bestmöglichen Wahrung der Persönlichkeitsrechte und kann auch den weiteren Verlauf des Verfahrens positiv beeinflussen. Daher werden in diesem Beitrag Praxistipps, wie eine Hausdurchsuchung möglichst schonend und rechtewahrend ablaufen kann, dargelegt.
I. Vor der Hausdurchsuchung
1. Aushändigung der Durchsuchungsanordnung
Die Hausdurchsuchung beginnt mit dem Eintreffen der Ermittlungsbeamten am Durchsuchungsort. Diese übergeben dem von der Durchsuchung Betroffenen die gerichtlich bewilligte Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft.
Eine Durchsuchung durch die Kriminalpolizei ohne gerichtlich bewilligte staatsanwaltschaftliche Anordnung ist nur ausnahmsweise bei Gefahr in Verzug zulässig. Derartige Durchsuchungen bei Gefahr in Verzug sind der Staatsanwaltschaft (fernmündlich) zu melden. Sie müssen von dieser für zulässig erklärt und nachträglich dem Gericht zur Bewilligung vorgelegt werden.
Beim Betroffenen einer Hausdurchsuchung kann, aber muss es sich nicht zugleich um einen Beschuldigten handeln.
Aus der Durchsuchungsanordnung geht hervor, welche Räumlichkeiten durchsucht werden sollen und aufgrund welcher Verdachtslage die Durchsuchung angeordnet wurde. Es muss der begründete Verdacht bestehen, dass am Durchsuchungsort Gegenstände, die sicherzustellen sind, aufzufinden sind. Ein einfacher Tatverdacht genügt.
Die Durchsuchungsanordnung umfasst auch die Anordnung der Sicherstellung. Sofern sich die Sicherstellungsanordnung auch auf elektronische Daten und Datenträger bezieht, ist diese seit Beginn dieses Jahres nur im Falle einer gerichtlichen Bewilligung rechtsgültig. Für die Sicherstellung sonstiger Daten genügt hingegen eine Anordnung der Staatsanwaltschaft.
2. Kontaktaufnahme mit dem Rechtsbeistand des Vertrauens
Es ist dringend empfohlen, unmittelbar nach dem Eintreffen der Beamten den Rechtsbeistand des Vertrauens zu kontaktieren, damit dieser zum Durchsuchungsort kommen und den reibungslosen Ablauf der Durchsuchung gewährleisten kann. Die Beamten müssen in der Folge eine angemessene Zeit, worunter mindestens eine halbe Stunde zu verstehen ist, bis zum Eintreffen des Rechtsbeistands zuwarten.
Bei Nichtzuwarten kann gegen die Durchsuchung wegen Unverhältnismäßigkeit ein Rechtsmittel ergriffen werden (siehe dazu unter Punkt III.).
3. Vorsicht bei freiwilliger Nachschau
Die Durchsuchung kann nicht gestoppt werden. Die einzige Möglichkeit, eine Durchsuchung zu verhindern, ist die freiwillige Herausgabe der gesuchten Unterlagen. Hierbei ist allerdings große Vorsicht geboten, da dadurch auch der Rechtsschutz eingeschränkt wird. Denn im Falle einer freiwilligen Herausgabe entfällt der Zwangscharakter der Durchsuchung. Das bedeutet, dass gegen eine solche freiwillige Nachschau nicht die Rechtsmittel zustehen, die man gegen eine Hausdurchsuchung ergreifen kann.
4. Gründliches Studium der Durchsuchungsanordnung
Vor dem Beginn der Durchsuchung der Räumlichkeiten sollte der Betroffene – wenn möglich im Beisein seines Rechtsbeistands – die Durchsuchungsanordnung gründlich lesen, um sich ein genaues Bild einerseits von der Verdachtslage, andererseits von den sicherzustellenden Unterlagen zu verschaffen. Zu beachten ist, dass stets ein Konnex zwischen dieser Verdachtslage und den gesuchten Dokumenten bestehen muss. Die Relevanz der sicherzustellenden Dokumente – etwa als Beweismittel oder zur Sicherstellung privatrechtlicher Ansprüche - muss aus der Durchsuchungsanordnung hervorgehen.
Für die Bezeichnung der sicherzustellenden elektronischen Daten und Datenträgern in der Durchsuchungsanordnung bestehen seit Neuestem noch strengere Regeln zwecks Schutzes der Privatsphäre des Betroffenen.
5. Beiziehung von Vertrauensperson und Berufsgeheimnisträger
Zu beachten ist darüber hinaus, dass der von der Durchsuchung Betroffene außer einem Rechtsbeistand auch eine sonstige Vertrauensperson beiziehen kann.
Weiters muss bei Durchsuchungen von Räumlichkeiten von Berufsgeheimnisträgern, beispielsweise Rechtsanwälten oder Steuerberatern, ein Mitglied der jeweiligen Interessensvertretung anwesend sein.
II. Während der Hausdurchsuchung
1. Begleitung der Beamten
Meist sind mehrere Ermittlungsbeamte am Durchsuchungsort anwesend, um verschiedene Teile der Räumlichkeiten zeitgleich zu durchsuchen. Es ist stark empfohlen, jeden der Beamten – beispielsweise durch Angestellte des betroffenen Unternehmens – durch die Räumlichkeiten zu begleiten. Nur so kann der Überblick gewahrt werden, welche physischen und elektronischen Unterlagen diese jeweils durchsuchen und mitnehmen.
2. Gedächtnisprotokoll
Ratsam ist zudem die Anfertigung eines Gedächtnisprotokolls zu den Durchsuchungsvorgängen, um den Ablauf der Durchsuchung genau zu dokumentieren.
3. Gegencheck mit der Durchsuchungsanordnung
Nicht nur vor, sondern auch während der Durchsuchung sollte die Durchsuchungsanordnung gründlich studiert werden. Es empfiehlt sich bei der Sicherstellung jedes Dokuments ein Gegencheck, ob dessen Mitnahme von der Durchsuchungsanordnung gedeckt ist oder nicht.
Verhindert werden sollte insbesondere, dass Beamte viel Zeit mit dem Durchsuchen von Unterlagen, die von der Anordnung nicht gedeckt sind, verbringen. Beginnen die Beamten beispielsweise, Datenträger mit ausschließlich privaten Fotos, Videos oder Nachrichten zu durchsuchen, so sollte der Betroffene dies verhindern. Durch eine beispielhafte Veranschaulichung des rein privaten Charakters dieser Daten - etwa anhand auszugsweiser Öffnung einzelner Daten - kann eine Sicherstellung bestenfalls verhindert werden.
Hierdurch kann auch eine anschließende oft stunden – und tagelange Sichtung derartiger nicht relevanter Dokumente vermieden werden.
4. Herstellung von Fotos sichergestellter Gegenstände und Kopien sichergestellter Unterlagen
Sinnvoll ist es darüber hinaus, Fotos von sichergestellten Gegenständen und Kopien von sichergestellten Unterlagen anzufertigen, damit man auch nach der Durchsuchung optimal nachvollziehen kann, welche Gegenstände und Unterlagen von den Beamten mitgenommen wurden.
5. Widerspruchsrecht von Berufsgeheimnisträgern
Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftstreuhänder, Fachärzte für Psychiatrie und Medieninhaber haben das Recht, gegen die Sicherstellung von Unterlagen Widerspruch zu erheben.
Hintergrund ist, dass die genannten und weitere in § 157 Abs 1 StPO erwähnte Personen nicht als Zeugen über Informationen, die ihnen in ihrer Vertrauensposition als Berufsgeheimnisträger bekannt wurden, aussagen müssen. Daher dürfen Unterlagen, durch deren Sicherstellung dieses Aussageverweigerungsrecht umgangen würde, nicht sichergestellt werden.
Die Erhebung eines Widerspruchs gegen die Sicherstellung durch einen Berufsgeheimnisträger empfiehlt sich jedenfalls, da dieser eine Versiegelung der sichergestellten Dokumente zur Folge hat.
Zu beachten ist allerdings, dass dieses Widerspruchsrecht nur dann greift, wenn der Berufsgeheimnisträger der in der Durchsuchungsanordnung genannten Straftat nicht selbst dringend verdächtig ist. Auch wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Berufsgeheimnisträger selbst an der strafbaren Handlung seines Mandanten teilgenommen hat oder sie durch eine strafbare Handlung zu decken versucht, kommt diesem kein Widerspruchsrecht zu.
Nach der Versiegelung der sichergestellten Dokumente findet ein Sichtungsverfahren vor dem zuständigen Haft- und Rechtschutzrichter statt. Im Rahmen dieses Verfahrens sind vom betroffenen Berufsgeheimnisträger alle physischen und elektronischen Unterlagen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde, zu bezeichnen. In der Folge entscheidet das Gericht, welche Unterlagen geschützt sind und daher wieder auszufolgen sind und welche Unterlagen nicht geschützt sind und zum Akt genommen werden dürfen.
III. Nach der Hausdurchsuchung
1. Beschwerde und Einspruch
Gegen die Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft und die gerichtliche Bewilligung derselben können nach der Durchsuchung Rechtsmittel ergriffen werden. Üblicherweise wird die Beschwerde gegen den Beschluss auf gerichtliche Bewilligung mit einem Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen die staatsanwaltschaftliche Anordnung kombiniert. Denn ein Einspruch gegen die Durchsuchungsanordnung allein hat kaum Aussicht auf Erfolg, da dieser ja vom selben Gericht erledigt wird, welches zuvor die Durchsuchungsanordnung bewilligt hat.
Werden Beschwerde und Einspruch zugleich erhoben, so entscheidet das für die Beschwerde zuständige Oberlandesgericht auch über den Einspruch. Zu beachten ist, dass dann beide Rechtsmittel innerhalb der 14-tägigen Beschwerdefrist ergriffen werden müssen.
2. Beschwerdegründe
In folgenden Fällen erscheint eine Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung erfolgsversprechend:
die Verdachtslage geht aus der Durchsuchungsanordnung nicht klar hervor;
die sicherzustellenden Dokumente sind in der Durchsuchungsanordnung nicht genau beschrieben;
es geht aus der Durchsuchungsanordnung nicht hervor, weshalb die gesuchten Gegenstände am Durchsuchungsort auffindbar sein sollten;
die Hausdurchsuchung war unverhältnismäßig (zB wurde das gesamte Unternehmen durchsucht, obwohl im Vornherein vorhersehbar war, dass sich sämtliche relevanten Gegenstände nur in bestimmten Teilen der Räumlichkeiten befinden werden).
3. Beschwerdeverfahren
Über die Beschwerde gegen die gerichtliche Durchsuchungsbewilligung entscheidet das zuständige Oberlandesgericht. Für den Fall, dass die Durchsuchung tatsächlich aus einem der dargelegten Gründe rechtswidrig erfolgte, hebt das Oberlandesgericht den Durchsuchungsbeschluss auf.
In der Folge hat das Erstgericht erneut über das Vorliegen der Durchsuchungsvoraussetzungen zu entscheiden. Hierbei hat es den vom Oberlandesgericht festgestellten Mangel zu beurteilen bzw wenn möglich zu beseitigen. Falls also zB die Verdachtslage nicht aus der Durchsuchungsanordnung hervorging, ist diese zu konkretisieren. Falls die sicherzustellenden Dokumente nur pauschal angeführt waren, sind nähere Ausführungen zu diesen zu tätigen.
Sofern diese Verbesserung nicht gelingt, etwa, weil tatsächlich keine konkrete Verdachtslage gegeben ist, war die Hausdurchsuchung rechtswidrig.
Die Verwendung der Ergebnisse einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung ist laut StPO nicht automatisch verboten. Allerdings ist laut Judikatur des Obersten Gerichtshofs eine für den Betroffenen nachteilige Nutzung von Unterlagen, die im Rahmen einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung sichergestellt wurden, im Ermittlungsverfahren unzulässig.
Sofern im Rahmen einer unrechtmäßigen Durchsuchung gewonnene nachteilige Dokumente in die Ergebnisse einer Hauptverhandlung einfließen sollten, kann die Verteidigung hiergegen einen Antrag auf Nichtverwendung stellen. Im Falle dessen Abweisung kann man sich mit einer Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof gegen das erstgerichtliche Urteil zur Wehr setzen. Eine erfolgreiche Nichtigkeitsbeschwerde hat die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht – allerdings mit anderer Richterbesetzung – zur Folge.
Ausdrückliche Nichtigkeit zieht zudem die Verwendung von Unterlagen, hinsichtlich derer ein Berufsgeheimnisschutz besteht und die daher rechtswidrig zum Akt genommen wurden, nach sich.
Zu beachten ist darüber hinaus, dass seit Beginn dieses Jahres strengere Nichtigkeitssanktionen bei der rechtswidrigen Beschlagnahme elektronischer Daten und Datenträger greifen. Ergebnisse aus den Auswertungen dieser Daten dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht als Beweismittel verwendet werden, sofern die Beschlagnahme nicht rechtmäßig angeordnet wurde.
4. Maßnahmenbeschwerde gegen unrechtmäßige Durchführung
Neben einer mit einem Einspruch kombinierten Beschwerde gegen die Durchsuchungsbewilligung kann sich der Betroffene gegen die Hausdurchsuchung auch mit einer Maßnahmenbeschwerde zur Wehr setzen.
Mit einer solchen kann man sich gegen ein (von Staatsanwaltschaft und Gericht nicht beeinflusstes) unrechtmäßigen Vorgehen durch die Ermittlungsbeamten während der Durchsuchung zur Wehr setzen. Eine Maßnahmenbeschwerde kann dann etwa ergriffen werden, wenn die Ermittlungsbeamten im Laufe der Durchsuchung unverhältnismäßigen Zwang anwandten. Beispiele hierfür sind das gewaltsame Öffnen von Türen oder sonstiges gewaltsames Vorgehen trotz Kooperationsbereitschaft des Betroffenen.
Eine derartige Maßnahmenbeschwerde ist binnen sechs Wochen nach der Durchsuchung beim zuständigen Verwaltungsgericht einzubringen.
IV. Mögliche Präventivmaßnahmen
Um sich auf das Szenario einer möglichen Hausdurchsuchung bestmöglich vorzubereiten, sind Hausdurchsuchungs-Schulungen und Hausdurchsuchungs-Simulationen sehr nützlich.
In einer Schulung können wertvolle Tipps für das korrekte Verhalten während einer Hausdurchsuchung, auch abgestimmt auf ein konkretes Unternehmen, erhalten werden.
Im Rahmen einer Hausdurchsuchungs-Simulation kann der mögliche Verlauf einer Durchsuchung durchgespielt werden. Unternehmen haben hierdurch die Möglichkeit, ihre MitarbeiterInnen durch eine interaktive Simulation noch effektiver auf eine Durchsuchung vorzubereiten.